Text von Harald-Uwe Bossert
Bild/Archiv: Harald-Uwe Bossert
Volksstimme, 15. April 2017, Seite 21, Elb-Havel-Echo
Militärhistoriker erinnert an das Treffen von Zar Peter und König Friedrich Wilhelm vor 300 Jahren in Havelberg
Das Monarchentreffen 1716 in Havelberg war Thema in der Vortragsreihe des Heimatvereins Havelberg. Militärhistoriker Harald-Uwe Bossert beschäftigt sich schon seit längerem mit dieser Geschichte und berichtet folgend.
Havelberg • Im November 1716 fand in Havelberg ein bedeutendes diplomatisches Treffen statt. Preußenkönig Friedrich – Wilhelm I., der da erst vier Jahre im Amt war, empfing den Herrscher des russischen Riesenreiches, Zar Peter I. Seit dem Dreißigjährigen Krieg hatte Schweden die Vormachtstellung über die Ostsee, die wie eine Drehscheibe für Handel den Weg zu den Schätzen der Welt öffnete. Bereits 16 Jahre dauerte der „Nordische Krieg“ – Zar Peter wollte jetzt eine Entscheidung herbeizwingen.
Er konnte sich die Überwindung der russischen Isolation ohne einen Zugang zum Meer, der „Mutter aller Kommerzien“ nicht vorstellen. Dazu musste er in bilateralen Gesprächen mit dem Preußenkönig über die gemeinsamen, gegen Schweden und Polen gerichteten Interessen im Ostseegebiet verhandeln.
Der Zar befand sich auf seiner zweiten großen Europareise. Im Gegensatz zur ersten „großen Gesandtschaft“ 1697/98 reiste er ohne inkognito. Zar und Preußenkönig einigten sich auf Havelberg als Ort ihres Treffens, weil Peter aus Stralsund kommend auf der Elbe über Hamburg nach Holland weiterreisen konnte. Die baltische Frage war ein wichtiges Thema der Länder Europas. Deswegen wurden zu diesen Gesprächen der beiden Herrscher Beobachter aus Sachsen – Polen, England, Hannover, Dänemark und Mecklenburg – Schwerin entsandt.
Ergebnis der „Conferenzien“ war die „Antischweden-Konvention“. Diese bestand aus zwei Deklarationen:
1. Militärischer Beistand gegen die Schweden und „abfallende Alliierte“. Das erste russisch-preußische Waffenbündnis!
2. Der Zar sichert Preußen Unterstützung beim Erwerb Elbings zu. Für Preußen als Ostseezugang lebensnotwendig. Elbing war bereits 1657 von Preußen erworben worden, aber 1710 von den Russen besetzt worden.
Söhne versuchten andere Wege
Langfristig wollte Friedrich Wilhelm das Bündnis nutzen, um mithilfe des Zaren Vorpommern (von Oder bis zur Peene) von den Schweden erobern zu können. Bereits im Preußisch-russischen Allianzvertrag vom 12. Juni 1714 hatten sich Preußen und Russland gegenseitig ihren Besitzstand nach der erwarteten Niederlage Schwedens im Großen Nordischen Krieg bestätigt. 1718 bekannten sich Russland und Preußen noch einmal zur Konvention von Havelberg.
In Havelberg wurde bekannt, dass der Zarewitsch (russischer Kronprinz) Alexej Petrowitsch über den Wiener Kaiserhof nach Tirol desertiert war. Was aus diesem Schritt werden konnte, war nicht abzusehen. Friedrich Wilhelm I. hielt sich deshalb mit Bekundungen aller Art etwas zurück. Der Zar holte seinen Sohn ein Jahr später nach Russland zurück, erzwang den Thronverzicht und ließ ihn zum Tode verurteilen. Das Todesurteil konnte nicht vollstreckt werden, weil Alexej unter der Folter starb.
14 Jahre später beging Kronprinz Friedrich von Preußen (der spätere König Friedrich II.) Fahnenflucht. Möglicherweise hat dieser Vorgang den preußischen König veranlasst, gegen seinen Sohn rigoros vorzugehen.
Allerdings ging es für den preußischen Kronprinzen relativ glimpflich ab. Sterben musste sein Freund und Fluchthelfer Leutnant Hans Hermann von Katte.
Als beim Havelberger Treffen der Abschied nahte, sollten die zu solchen Anlässen nach der Hofetikette üblichen Geschenke überreicht werden. Friedrich Wilhelm schenkte als höchst großzügige Geste Peter das Bernsteinkabinett und eine vergoldete Staatsyacht. Zar Peter revanchierte sich mit einem „Menschengeschenk“. Er befahl, umgehend in Russland 200 ,,lange Kerls“ als Gegengeschenk für den „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. zu rekrutieren. Bereits 1713 hatte er ihm 80 lange Kerls als Gastgeschenk nach Berlin mitgebracht.
Des Königs liebstes Spielzeug
Die langen Kerls waren das militärische „Lieblingsspielzeug“ des Königs und er schrieb dem „Alten Dessauer“: ,,… die wahre ist sehr rahr … “ Während des Treffens gingen die beiden Monarchen in Havelberg auch anderen Regierungsgeschäften nach. So beauftragte der Zar seinen Generalfeldzeugmeister Jacob Daniel Bruce, die erst 1712 erschienene holländische Grammatik „Nederduytsche spraakkonst“ in russischer Sprache herauszugeben. Bruce beherrschte acht Sprachen in Wort und Schrift und erfüllte den Auftrag gewissenhaft.
Angeregt wurde die Einrichtung einer preußischen Kompanie für den Handel mit Russland. Hauptsächlich wurde die russische Armee mit preußischem Tuch versorgt. Damit wirkten erstmals „Russenaufträge“ belebend auf die Wirtschaft in Preußen. Preußisches Tuch verdrängte erstmals erfolgreich die englische Konkurrenz. Für die Russen auch ein gutes Geschäft. Denn diese Tuche waren bei gleicher Qualität billiger als die englischen Stoffe.
In wirtschaftlicher Hinsicht war die Erteilung des alleinigen Privilegs, allen Fisch und Krebse zwischen Rathenow und Havelberg verkaufen zu dürfen, durch Friedrich Wilhelm an die Havelberger Fischergilde segensreich.
Der Hofmaler des Preußenkönigs Antoine Pesne wurde nach Havelberg befohlen, um den Zaren zu porträtieren. In Berlin schuf er nach diesem Porträt gemeinsam mit dem „Pferdemaler“ Paul Karl Leygebe ein Reiterbildnis Peters, welches als verschollen gilt. Am 7. Dezember 1716 besuchte Friedrich Wilhelm das Atelier Pesnes, um „deßen Arbeit an Sr. czaarischen Majestät portrait“ zu besehen. Eine Fassung des Porträts in lebensgroßer Figur aus dem Be-stand des Schlosses Pawlowsk wurde 2015 nach einer umfangreichen Restaurierung wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Den nächsten Vortrag hält Dr. Michael Schippan am 28. April ab 18.30 Uhr im ArtHotel: „Zar Peter der Große in Havelberg (November 1716)“